Am 4. Januar 2002 haben wir Sammy verloren, unseren schwarzen Panther (rechts im Bild). Wenn wir Euch an dieser Stelle nun erzählen, wie es dazu kam, dann hat das zwei Gründe: Erstens haben viele Leute nach ihm gefragt, nachdem sie erfahren hatten, dass er erkrankt war. All diesen Leuten möchten wir für ihre Anteilnahme danken und ihnen nun erzählen, was geschehen ist.
Zweitens, und das ist der eigentliche Grund, gibt es so viele Menschen, deren Katzen von dieser Krankheit betroffen sind, und die dringendst Informationen und Ratschläge suchen. Wir möchten so viele Katzenbesitzer wie möglich darauf hinweisen, dass eine Harnwegserkrankung KEINE Lappalie ist und mehr als ernstgenommen werden muss!! Denn sie kann den Patienten das Leben kosten...
Die ersten Anzeichen
Alles fing damit an, dass Sammy knapp 5 Wochen vor Weihnachten plötzlich eines Tages so merkwürdig in seinem Katzenklo hing, ganz schief und lang. Da ich mich in diesem Bereich ja ganz gut auskenne, wusste ich sofort, was das Stündchen geschlagen hatte: Harnverhalten. Vielleicht sogar ein Harnwegsverschluss. Ich rief meinem Mann sofort zu, er solle sich anziehen, wir müssten zum Tierarzt.
Ich beobachtete Sammy dann noch ca. ein paar Minuten, wie er im Klo hing und nicht einen einzigen Tropfen rausbrachte. Dann packte ich ihn ein und es ging ab zum Doc. Der fühlte die Blase und stellte fest, dass diese recht voll und hart war. Er versuchte, sie etwas auszudrücken, was ihm aber nicht gelang. Er wollte uns mit einem Spasmolytikum (ein Mittel zum Entkrampfen) nach Hause schicken, da er meinte, dass Sammy sich wohl durch eine Zystitis (Blasenentzündung) und dem daraus resultierenden Schmerz so verkrampft hätte, dass er keinen Urin lassen könnte.
Harngries?
Da ich aber nur zu gut weiß, dass es sich bei einem Harnverhalten zumeist um eine Harnsteinbildung handelt, ging ich nicht darauf ein sondern forderte eine Röntgenaufnahme, um festzustellen, ob Steine vorhanden waren. Denn wenn ja, würde ein Spasmolytikum vielleicht zur Entkrampfung führen und somit zu einer Blasenentleerung, aber die Ursache der Blasenentzündung und des Harnverhaltens wäre dann nicht beseitigt. Diese kann man nur beseitigen, wenn man für eine Auflösung der Steine sorgt. Und sollte tatsächlich bereits ein Verschluss durch Konkremente vorliegen, würde auch ein Spasmolytikum nicht helfen!
Als das Röntgenbild vorlag, war deutlich zu erkennen, dass die Blase erstens übervoll war und zweitens reichlich Harngrieß enthielt. Der Doc meinte dann, er könne uns Sammy nun doch nicht mit nach Hause geben, er müsse sofort in Narkose gelegt werden und die Blase mittels eines Katheters geleert und gespült bekommen.
Katheterisierung nötig
Schweren Herzens ließen wir Sammy in der Praxis zurück, nachdem wir ihn in die Narkose begleitet hatten. Noch am späten Abend rief der Tierarzt uns an und teilte uns mit, dass er reichlich Konkremente ausgespült, sowie ein Spasmolytikum zur Unterstützung verabreicht hätte und nun hoffe, dass Sammy wieder durchgängig sei. Natürlich wurde auch gleich eine Antibiose eingeleitet. Wir sollten am nächsten Morgen anrufen.
Leider war es damit noch nicht getan, und Sammy musste am nächsten Morgen noch einmal katheterisiert werden. Aber am Nachmittag durften wir ihn schließlich abholen, weil er bereits wieder selbst Urin abgesetzt hatte.
Eine schwere Woche
Wir waren sehr erleichtert und holten Sammy heim. Was dann folgte, war eine unschöne Woche für Sammy. Er lief aus, wo er ging und stand (natürlich auch durch das Spasmolytikum, welches wir weiter verabreichen mussten) und der Urin war sehr blutig. Manchmal kam nur pures Blut. Ich verabreichte dann zur Unterstützung der Behandlung homöopathische Nieren-/Blasentropfen, die die Entzündung und eine erneute Steinbildung bekämpfen/verhindern sollten.
Außerdem bekam Sammy natürlich eine strikte Diät vom Tierarzt, ein Futter, welches den Harn in den sauren Bereich und so die Struvitsteine zur Auflösung bringt. Wir konnten wir damals nicht erklären, warum Sammys Urin überhaupt im alkalischen Bereich war, denn wir haben immer nur Premiumfutter gefüttert, was nach Angaben der Hersteller für eine Ansäuerung des Urins sorgt...
Heute wissen wir, dass von sämtlichem Trockenfutter-Sorten (Harnwegsformel in oder her) zur alleinigen Fütterung die Finger zu lassen sind, wenn man Harnwegserkrankungen vermeiden möchte!
Der Schein trügt
Nach einer Woche war es dann scheinbar überstanden: Sammy konnte wieder normal auf Toilette gehen, setzte durchschnittliche Mengen an Urin ab, und es war kein Blut mehr zu sehen. Die Antibiose wurde nach 10 Tagen (die gängige Zeit) beendet, was mir aber nicht ganz geheuer war, weil die Veterinärfachbücher bei Harnwegserkrankungen zu einer Gabe über mehrere Wochen raten!
Also wollte ich auf Nummer Sicher gehen und kaufte mir in der Apotheke Teststreifen, mit denen man den ph-Wert des Urins ermitteln und eine Ausscheidung von Leukozyten (was eine Entzündung anzeigt), Proteinen und Erythrozyten (also Blut) feststellen kann. Ich entlockte Sammy eine Urinprobe und führte den Test durch. Zwar war der ph-Wert super, aber Sammy schied immer noch eine Menge Leukos und Proteine aus, sowie einige Erys, also Blut.
Noch immer Blut im Urin
Ich sprach den Doc also auf eine Fortführung der Antibiose an. Da diese nun eh schon abgebrochen war, entschieden wir uns, etwas zu warten und dann ein Antibiogramm anfertigen zu lassen, um sicher zu gehen, auch das richtige Antibiotikum zu verabreichen. Im Anschluss daran wurde ein Präparat ausgewählt, welches nun von vornherein über drei Wochen verabreicht werden sollte.
Kurz vor Ende dieser Gabe entnahm ich Sammy eine Urinprobe und wir führten eine neue Untersuchung durch. Das war am Freitag vor Weihnachten. Bis zu diesem Tag hatte Sammy seine Katzentoilette wieder völlig normal benutzt, war wieder ganz der Alte und zeigte keinerlei Symptome. Auch beim Entnehmen der Urinprobe pieselte Sammy völlig normal.
Erneutes Harnverhalten
Am nächsten Morgen, dem Samstag vor Weihnachten, sah ich Sammy dann wieder auf dieselbe Weise in seinem Katzenklo hängen, und wusste: Es geht wieder los. Wir fuhren sofort zum Tierarzt, der inzwischen die ersten Ergebnisse der Urinprobe vorliegen hatte: Es waren keine Steine mehr vorhanden!!
Also warum dann wieder ein absolutes Harnverhalten??? Ein mechanischer Verschluss durch Konkremente konnte es ja demnach nicht sein! Der Tierarzt war ratlos. Beim Abtasten der Blase stellte er fest, dass diese kaum gefüllt war und verzichtete daher auf eine erneute Katheterisierung, um Sammy zu schonen. Er meinte, wir sollen es noch einmal mit dem Spasmolytikum versuchen. Wenn es nicht funktionieren würde, sollten wir am nächsten Morgen zur Katheterisierung vorbeikommen.
Befürchtung eines Nierenschadens
Wir sprachen ihn darauf an, dass wir uns um seine Nieren sorgten, da es ja bekannt ist, dass ein Rückstau des Harns zu Nierenversagen führen kann. Wir hatten diese Bedenken bereits beim ersten Verschluss angesprochen und gefragt, ob es nicht angebracht sei, eine Blutprobe zu entnehmen, um die Nierenwerte zu kontrollieren und eine evtl. beginnende Urämie (Anreicherung der harnpflichtigen Substanzen im Blut, weil die Nieren sie nicht mehr ausscheiden können) frühzeitig feststellen zu können.
Aber der Tierarzt meinte beide Male, so schnell ginge das nicht. Wir sollten uns keine Sorgen machen... Wir hätten uns nicht damit abspeisen lassen, sondern auf eine Blutuntersuchung bestehen sollen, wie sich später zeigte!
Also fuhren wir zunächst nach Hause und setzten unsere Hoffnung auf das Spasmolytikum. Aber Fehlanzeige. Sammy setzte weiterhin keinen Tropfen ab. Und was hinzu kam: Er übergab sich einige Male. Meine Angst hinsichtlich des Nierenversagens stieg damit zusehends, denn Erbrechen ist schließlich eines der Symptome einer Urämie.
Nächtlicher Besuch in der Tierklinik
In der Nacht jammerte Sammy dann schließlich, offensichtlich hatte er Schmerzen. Wir packten ihn sofort ein und fuhren in die Tierklinik, die ja rund um die Uhr Notdienst hat. Der Dienst habende Arzt fühlte die Blase und sagte uns, es sei Zeit, wieder zu katheterisieren. Außerdem, so meinte er, müsse man unbedingt seine Blutwerte kontrollieren, um eine Urämie auszuschließen... Ach!?!? Endlich mal jemand, der unserer Meinung war! Wir baten ihn, beides sofort zu tun und außerdem auch gleich einen Ultraschall durchzuführen, um einen Tumor ausschließen zu können.
Wieder mussten wir Sammy zurück lassen... Und wieder wurde er narkotisiert, katheterisiert und gespült.
Beginnendes Nierenversagen
Am Abend bekamen wir dann die Info, dass es sich Gott sei Dank nicht um einen Tumor handeln würde - aber: seine Nierenwerte seien drastisch erhöht!! Also doch eine Urämie... Er bekam dann Infusionen und sie wollten sehen, woran es liegt, dass er keinen Urin absetzen konnte, denn es waren ja wie gesagt keine Steine vorhanden und die Blasenentzündung sah auch gar nicht sooo schlimm aus, da die Blasenwände noch nicht verdickt waren. Wir konnten also nur hoffen, dass die Erhöhung der Nierenwerte "nur" durch das Harnverhalten gekommen und nicht schon länger vorhanden war, dann bestand eine Chance, dass die Nieren sich wieder stabilisieren könnten.
Als hätten wir mit Luca und Semira nicht genug nierenkranke Katzen im Alter von je 3,5 Jahren, dachten wir uns - nun auch noch Sammy. Wir waren fix und fertig vor Sorge. Wir hofften, dass die Therapie anschlagen und Sammy durchgängig bleiben würde, damit wir ihn vielleicht an Heilig Abend heim holen könnten.
Fehlanzeige! Er war nach dem Katheterisieren nicht wieder durchgängig, musste also noch einmal katheterisiert und auch weiter infundiert werden, wegen der Nierenwerte (die Infusionen sind zur Spülung gedacht, der Harnstoff soll damit aus dem Blut gespült werden). Was ein ein trauriger und tränenreicher Heiligabend.
Am Weihnachtstag kurz daheim
Am 1. Weihnachtsfeiertag konnte Sammy dann wieder etwas Urin absetzen, aber er erbrach sich und wollte nichts essen. Die nun Dienst habende Ärztin meinte, es sei vielleicht besser, wenn wir ihn nach Hause holen, damit er sich wohler fühlt und wieder etwas isst. Er drehte ihr immer demonstrativ den Rücken zu, wenn sie zu ihm ging. Das war ein schlechtes Zeichen, denn am Tag vorher hatte er noch mit der anderen Ärztin geschwätzt und geschnurrt.
Wir stimmten natürlich sofort zu, ihn heimzuholen. Sie meinte, sie wolle uns dann eine Infusion mitgeben. Wir sind sofort hingefahren, bekamen aber doch keine Infusion mit, da der Chef der Klinik drauf bestand, dass wir am nächsten Morgen um 10.00 zur erneuten Untersuchung kommen würden, und dann sollte Sammy wieder in der Klinik infundiert werden. Sammy war bereits in seinem Kennel, und als ich diesen dann im Auto öffnete, traf mich fast der Schlag. Ich hatte ihn noch nie in einem solchen Zustand gesehen! Er war von oben bis unten voller Schuppen, wie mit Mehl bestäubt, und ein Bild des Jammers.
Eine furchtbare Nacht
Ich hoffte, dass dieses erschreckende Bild dem Stress geschuldet war, was sich jedoch schnell als falsch herausstellte. Sammy setzte an diesem Tag und in der darauf folgenden Nacht nicht einen Tropfen Urin ab, obwohl er ständig ins Klo rannte. Er nahm kein Futter auf, nur Wasser, erbrach sich spätestens alle drei Stunden, konnte kaum laufen. Ansonsten schlief er nur. Wir riefen noch einmal in der Klinik an, die Ärztin meinte jedoch, es wäre natürlich auch nicht sehr verwunderlich, dass er keinen Urin absetzen würde, weil er ja soviel Flüssigkeit durch das Erbrechen verlieren würde (???).
Zurück in die Klinik
Am nächsten Morgen fuhren wir dann sofort wieder in die Klinik, inzwischen hatte ein anderer Arzt Notdienst. Er sah Sammy an und meinte, wir müssen sofort wieder Blut abnehmen, wegen der Nierenwerte. Und dann kam es: Die Nierenwerte waren bereits nicht mehr messbar, es hatte sich ein akutes Nierenversagen eingestellt. Der Grund für das ständige Erbrechen war die Harnstoffvergiftung. Weinend standen wir am Behandlungstisch, da wir diese vernichtenden Werte ja nur zu gut kennen.
Da ein akutes Nierenversagen behandelbar ist, entschieden wir gemeinsam mit dem Arzt, es zu versuchen: Sammy kam für 4 Tage an den Dauertropf und bekam für diese Zeit einen Katheter eingenäht. So konnte er permanent gespült werden. Das war die einzige Hoffnung, sein Leben zu erhalten, um dann der Ursache auf den Grund zu gehen. Wir ließen ihn nur schweren Herzens zurück, weil wir Angst hatten, ihn nicht lebend wiederzusehen. Aber es war seine einzige Chance. Zuhause und ohne Behandlung wäre er ganz sicher noch an diesem Tag gestorben.
Erneute Hoffnung
Am nächsten Tag stieg die Hoffnung: Sammy hatte seit der Narkose für den Katheter nicht mehr gebrochen. Der Urin lief in Strömen durch den Katheter, die Spülung schien zu funktionieren. Am Donnerstag dann weitere Anzeichen der Besserung, nur essen wollte er nicht. Wir durften ihn besuchen, brachten ihm von Lucas Nierendiät mit, und er fing sofort an zu essen, als wir ihm die Halskrause, die er wegen des Katheters tragen musste, abnahmen.
Wir durften rund eine Stunde bei ihm bleiben, er schmuste mit uns und biss vor Vergnügen in das Gestänge seines Korbes. Das war unser Sammy, wie wir ihn kannten. Auch das Fell sah wieder deutlich besser aus, die Schuppen waren deutlich zurückgegangen. Er machte einen so positiven Eindruck, dass wir uns von da an sicher waren, er würde es schaffen...
Am Freitag dann weitere gute Nachrichten: Sammy hatte sein Futter aufgegessen und nicht gebrochen. Die Hoffnung stieg und wir sahen zitternd der für Samstag anstehenden Blutuntersuchung entgegen.
Am Samstag dann die große Freude: Die Nierenwerte waren wieder im mittleren Normbereich! Das war schon die Hälfte des Sieges (wenngleich natürlich die Infusionen auch die Werte beschönigen). Wir mussten ihn nun "nur" noch durchgängig halten.
Wir entschieden, die Spülung bis Sonntag fortzuführen, da am Wochenende keine größeren Maßnahmen (es stand noch immer eine Penisamputation zur Diskussion) im Notdienst möglich gewesen wären, wenn der Katheter gezogen würde und sich wieder Komplikationen einstellen sollten. Am Sonntag zog Sammy sich den Katheter dann selbst, und unterzog sich einer größeren Putzaktion, als die nun Dienst habende Ärztin zu ihm kam. Es schien ihm gut zu gehen.
Neurologische Ursachen?
Inzwischen hatten wir weiterhin starke Ursachenforschung betrieben und alle Ärzte der Klinik waren sich einig, dass es sich nur um eine nervliche Sache handeln könnte, da offensichtlich kein mechanischer Verschluss (Steine oder sonstiges) beim Katheterisieren feststellbar war. Aus diesem Grund hielt man eine Penisamputation nebst Fistel für unnötig und unwirksam. Man entschloss sich zu dem Versuch der Stimulierung der Nervenfunktion.
Der Blasenmuskel sei offensichtlich zu schlaff und daher nicht kontraktionsfähig. Es wurde Sammy daher ein Parasympathomimetikum (Bethanechol) verabreicht. Die Therapie begann bereits an diesem Wochenende. Außerdem bekam Sammy weiterhin Infusionen, um die Niere nicht wieder zu gefährden. Am Sonntag setzte Sammy zwar bereits Urin ab, aber eher tropfenweise unter starkem Druck, nicht im Strahl.
Am Montag, also Silvester, pieselte er dann munter unter sich. Die Ärztin klopfe sich auf die Schulter für ihre gute Idee mit dem Medikament. Sie hatte damit bisher keinerlei Erfahrung gesammelt, es war also ein absoluter Versuch.
Nebenwirkungen der Medikation
Am Neujahrstag wieder gute Nachrichten: Sammy pieselte weiter erfolgreich. Aber sie wollten ihn uns noch nicht mit nach Hause geben, da er weiterhin infundiert werden sollte, um mit der Niere auf Nummer Sicher zu gehen. Schweren Herzens stimmten wir zu und riefen am 2. Januar wieder an, in der Hoffnung, dass er entlassen würde.
Da traf uns die nächste schlechte Nachricht: Sammy pieselte zwar noch immer wunderbar, aber es hatten sich starke Nebenwirkungen eingestellt. Er speichelte sehr stark, produzierte erheblichen Bronchialschleim, was zu leichter Atemnot führte, und sein Herz schlug verlangsamt. Kurz: Die Ärztin bekam Panik, dass ein Herzstillstand erfolgen könnte und setzte das Mittel sofort ab, ja gab sogar ein Gegenmittel, um das parasymphatische Nervensystem wieder hochzufahren.
Wieder bergab...
Wir waren total getroffen und baten darum, ihn sofort besuchen zu dürfen. Sie wimmelte uns jedoch ab, mit der Begründung, dass sie zur Zeit allein mit zwei neuen Assistenzärzten sei (Chef in Urlaub, zwei andere Ärzte - darunter auch der vorher behandelnde Arzt - hatten zum 31.12. gekündigt), und dann noch die Euroumstellung - sie würde es zur Zeit nicht schaffen. Ich solle mich bitte noch zwei bis drei Tage gedulden, wir würden das dann gegen Ende der Woche hinbekommen.
Wir wollten keinen Ärger machen und hatten auch Verständnis für die Situation in der Klinik, warfen nur ein, dass wir Angst hätten, er würde sterben und wir hätten ihn nicht einmal mehr sehen dürfen. Sie meinte aber, das wäre unbegründet, der Notzustand sei vorüber. Also fügten wir uns - ein fataler Fehler, der uns niemals wieder unterlaufen würde!!!
Erneutes Harnverhalten
Am nächsten Tag, dem 3. Januar wieder eine schlechte Nachricht: Die Nebenwirkungen waren noch immer vorhanden und inzwischen hatte sich wieder ein Harnverhalten eingestellt. Es war also deutlich: ohne das Mittel ging es nicht. Ich sollte abends wieder anrufen, da sie das Mittel wieder ansetzen wollte, und zwar in einer geringeren Dosis, um die Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten. Um jedoch sicher zu gehen, dass kein Magen-Darm-Problem vorlag, was die Symptome der Nebenwirkungen auslöste (er speichelte noch immer sehr stark und verweigerte das Futter), röntgte sie ihn mit Kontrastmittel, und zwar zweimal.
Kontaktaufnahme zu einem Spezialisten
Ich konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen und war völlig panisch, dass ein weiterer Versuch dieser Medikation zu Sammys Tod führen könnte. Daher rief ich in meiner Not sämtliche Unikliniken an, sprach mit Neurologen, die mir die Medikation soweit bestätigten, und einem sehr netten Spezialisten aus Norderstedt (ein Urologe, also zuständig für Harnwegserkrankungen).
Dieser riet mir zu einer anderen Therapie und bekundete seine Bereitschaft, die Klinik in der Behandlung zu beraten. Er empfahl mir u.a. ein Mittel, welches mir auch von den Veterinären der Unikliniken als Kombinationspräparat empfohlen wurde. Dies gab ich sofort an die Klinik weiter, wo man mir berichtete, dass man das Parasympathomimetikum bereits wieder angesetzt hätte. Sammy würde auch nicht mehr so stark speicheln... Uns war sehr unwohl und wir hatten panische Angst. Aber wir hatten ja keine andere Wahl, wenn wir ihn retten wollten.
Der 4. Januar
Die ganze Zeit während Sammys Aufenthalt in der Klinik bin ich überall nur mit Handy hingegangen, weil ich immer Angst hatte, es würde Komplikationen geben. Sogar an der Arbeit habe ich es eingeschaltet gelassen. Am nächsten Tag, es war Freitag, der 4. Januar, bin ich zur Arbeit und hab alle zwei Minuten auf mein Handy geblickt, ob ich auch ja Empfang hatte.
Als ich nach Hause kam, war ich so unruhig, dass ruhelos auf und ab lief, um die Zeit zu überbrücken, bis ich um 16.oo Uhr in der Klinik anrufen konnte.
Dann saß ich zitternd dort und wählte die Nummer. Die Ärztin kam ans Telefon und flötete mir ins Ohr: "Frau Lötzerich, ich hab Sie vorhin schon versucht zu erreichen...." Auf meine Erklärung, dass ich permanent über Handy erreichbar gewesen sei, meinte sie, im Computer hätte die Handy-Nr. nicht gestanden und so habe sie daheim angerufen. Auf die Idee, dass die Nummer auf der Karteikarte vermerkt sei, sei sie leider nicht gekommen.
Ich kochte zwar vor Wut, ließ die Sache allerdings beiseite, um zu erfahren, warum sie angerufen hatte. Daraufhin meinte sie dann: "Er hat es leider nicht geschafft, er ist heute Mittag gestorben..."
Ich brach fast am Telefon zusammen und konnte nur noch heulend stammeln, dass sie mich nicht mehr zu ihm gelassen hat....und dass wir sofort kommen, um ihn abzuholen. Nachdem ich einige Minuten vor Trauer geschrien und um Fassung gerungen habe, sind wir dann sofort losgefahren, um ihn dort wegzuholen.
Als wir in das Behandlungszimmer kamen, lag er lang ausgestreckt und bereits steif in einem Pappkarton auf einem Behandlungstisch. Man hatte uns allein reingeschickt, und als wir den Karton öffneten, brachen wir beide erneut in Tränen aus. Ich war nicht fähig, dort zu warten, bis die Ärztin endlich mal erschien, nahm Sammy und wollte gehen (unsere Behandlungen gehen auf Sammel-Rechnung, wir müssen also nicht beim Gehen zahlen).
Im Flur trafen wir eine Helferin die dann die Ärztin aus der Behandlung holte. Sie kam zu uns und sagte uns, wie leid es ihr täte. Sie hätte wirklich Hoffnung gehabt. Am Morgen hätte sie noch das neue Kombinationspräparat besorgt und verabreicht. Dann hätten sie ständig nachgesehen, ob er schon gepieselt habe, und mittags hätte eine Helferin ihn dann bei einer dieser Kontrollen tot aufgefunden.
Ich wäre der Ärztin am liebsten an den Hals gesprungen, weil ich nicht verstehen konnte, dass wir nicht informiert wurden, dass es wieder kritisch war und noch nicht einmal, als er verstorben war. Sie entschuldigte sich, dass sie nicht an das Handy gedacht hätte. Sie hätte mich morgens daheim angerufen, um mir mitzuteilen, dass es nicht so gut aussieht und sie das neue Mittel verabreicht hätte. Da war ich (ich habe später in der Telefonanlage die Zeit nachvollzogen) gerade fünf Minuten aus dem Haus.
Hätte sie mich da auf dem Handy angerufen, hätte ich sofort in die Klinik fahren und bei ihm bleiben können. Dann hätte er nicht mutterseelenallein in seiner Box sterben müssen! Der Gedanke tut so weh. Unsere Tiere dürfen doch immer daheim und in meinen Armen sterben (wer die Rubrik "Zeit des Abschieds" gelesen hat, weiß das). Und er musste die letzten Minuten völlig allein dort in der Box hocken. Niemand hat ihm beigestanden. Und nicht einmal, als er tot war, haben sie ans Handy gedacht!
Wir konnten das alles nicht fassen, und ihre Entschuldigung half uns überhaupt nicht. Was hatten wir davon? Was hatte Sammy davon? Erst durften wir ihn nicht besuchen, und dann musste er allein sterben. Sie konnte gar nicht verstehen, was sie uns damit angetan hatte. Sie wollte uns dann mit der Ausrede trösten, dass es sowieso nicht immer gut sei, sein Tier noch einmal kurz vor dem Tod zu sehen, wir sollten ihn doch lieber zu besseren Zeiten in Erinnerung halten.
Ich habe ihr unter Tränen gesteckt, dass dies vielleicht für andere Tierbesitzer zutreffen mag, aber nicht für uns. Wir gehen immer den letzten Schritt mit unseren Tieren und lassen sie nicht im Stich, weil es unschön werden könnte.
Als ob sein Tod allein nicht schon schlimm genug wäre, aber diese erbarmungswürdigen Umstände und die Tatsache, dass wir nicht bei ihm sein durften, zerrissen uns das Herz. Wir haben uns dann nur noch erklären lassen, was ihrer Meinung nach die Todesursache war, bevor wir gingen. Sie meinte, es war ein multiples Organversagen. Niere, Herz.... Ihr wäre schon komisch vorgekommen, dass von der täglichen 250 ml Infusion zuletzt kaum etwas in der Blase angekommen sei. Das würde darauf hindeuten, dass seine Nieren bereits nicht mehr in der Lage waren, die Flüssigkeit zu verarbeiten. Offensichtlich hätten sie doch einen Schaden davongetragen und die guten Werte seien durch das verdünnte Blut "verfälscht" gewesen.
Letztlich ist er demzufolge also dann an Nierenversagen gestorben (das drittes Tier, was wir bis zu diesem Zeitpunkt an diese erbärmliche Krankheit verloren hatten, und zwei chronisch niereninsuffiziente Tiere hatten wir ja noch, mit denen uns irgendwann dasselbe bevorstehen sollte). Es könne auch durch das Nierenversagen zur Elektrolytverschiebung gekommen sein, was wiederum zum Herzversagen geführt haben könnte. So ganz eindeutig könne man nicht sagen, welches Organ nun tatsächlich aufgegeben habe...
Wir haben Sammy dann nach Hause gebracht. Daheim hab ich ihn aus dem Karton geholt und bin mit ihm in meinem Arm auf dem Teppich weinend zusammengebrochen. Ich konnte es nicht fassen. Ich wollte es nicht fassen. Ich hab mir dauernd gewünscht, er würde einfach wieder wach in meinen Armen. Hab bestimmt zwei Stunden so mit ihm dort gesessen, während mein Mann den Sarg vorberereitete.
Wir hatten auf dem Heimweg eine schöne Holzkiste gekauft, mit einem stoffbezogenen Deckel, die wir noch etwas umgearbeitet haben. Wir entschlossen uns jedoch, ihn nicht sofort zu begraben. Erstens waren an dem Tag 13 Grad minus und wir befürchteten, gar nicht in den Boden zu kommen (für Montag war Tauwetter angesagt). Zweitens gab uns das Zeit für den Abschied, der uns ja vorher versagt geblieben war.
Am Montag haben wir ihm dann einen Platz in der Nähe unserer Terrasse gesucht, gut sichtbar vom Terrassenfenster aus. Er war erst 3,5 Jahre... Und alles, was uns von ihm bleibt, ist sein Grab im Garten und die Erinnerungen an ihn...
Eine Blüte für das Leben
eine Rose für das Grab.
Gott mit Schmerz zurück gegeben,
was zur Freude er uns gab.
•
Es weht der Wind ein Blatt vom Baum,
von vielen Blättern eines.
Das eine Blatt, man merkt es kaum,
denn eines ist ja keines.
Doch dieses eine Blatt allein
war Teil von unserem Leben.
Drum wird dies eine Blatt allein
uns immer, immer fehlen.
•
Um zu trösten sagen Freunde:
Mit der Zeit vergisst man...
Man vergisst die Stimme, das Mauzen,
die genaue Farbe des Fells und der Augen.
Doch genau das will man nicht!
Nichts will man vergessen,
keinen Laut, keinen Blick,
nicht die beiläufigste Bewegung.
Denn das Wesentliche passiert immer nebenbei...
(Abgeänderte Version eines Songtextes von Laith Al Deen)